Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, Verspätungszuschlag, Fristverlängerung

Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, Vereinfachung und Effizienz – das waren die mutigen Pläne der Bundesregierung für die Zukunft, die sie im Dezember 2015 in Form eines Gesetzesentwurfs veröffentlicht hat. Im Mai gab es einen neuen Entwurf des Bundestags, den der Bundesrat am vergangenen Freitag abgesegnet hat. Das erwartet uns ab dem 1. Januar 2017.

Auch die Bundesregierung springt auf den Zug der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung auf und macht im Bereich Steuern alles moderner, einfacher und effizienter. Voller Kurs auf „Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“. Der Bundestag schließt sich mit seinem neuen Gesetzesentwurf den Digitalisierungsplänen weitestgehend an. Und der Bundesrat hat am vergangenen Freitag zugestimmt. Die wichtigsten Punkte, wie das gelingen soll, lesen Sie hier:

1. Digitalisierung: Steuererklärung komplett elektronisch und weitestgehend automatisiert

Hocherfreulich: Geplant ist eine Reihe von Veränderungen im Bereich der Digitalisierung. Die Steuer soll papierlos möglich sein – von der Steuererklärung bis zum Einspruch. Das geht teilweise jetzt schon. Und das Gesetz soll noch weiter dazu beitragen:

  1. Wie gehabt wird die Steuererklärung über ELSTER elektronisch eingereicht. Neu: Die vorausgefüllte Steuererklärung soll weiter ausgebaut werden (Erweiterung des Datenumfangs um Daten, die den Finanzämtern durch elektronische Mitteilungen Dritter oder aus eigener Erkenntnis bereits bekannt sind).
  2. Nach neuen Gesetz soll künftig auf Belege komplett verzichtet werden. Spendenbescheinigungen sollen  beispielsweise künftig nur noch auf Anfrage des Finanzamts mitgeschickt werden. Die Einreichung dieser Belege soll elektronisch möglich sein. Aufbewahrt werden müssen die Belege aber weiterhin.
  3. Einfache Steuerbescheide werden künftig vollautomatisiert ergehen. Voraussetzung: Die Steuererklärung lässt sich automatisch auslesen. Hierfür soll ein qualifiziertes Freitextfeld geschaffen werden. Bedeutet: Werden hier Angaben gemacht, wird eine Person mit dem steuerlichen Fall befasst. Wenn nicht, erlässt der PC Ihren Steuerbescheid.
  4. Arbeitgeber, Rentenversicherungen, Krankenkassen und Banken müssen bereits elektronisch Daten an das Finanzamt übermitteln. Hierfür hat die Regierung einen einheitlichen Rahmen geschaffen.
  5. Eine clevere Idee: Ist der Steuerpflichtige einverstanden, erhält er künftig vom Finanzamt eine E-Mail mit der Info, dass sein Steuerbescheid auf ElsterOnline zum Download bereit gestellt wurde. Bedeutet auch: Am 3. Tag nach Erhalt der E-Mail gilt der Bescheid als bekannt gegeben. Das ist nach dem vom Bundesrat abgesegneten Gesetzentwurf des Bundestags ebenfalls für Verwaltungsakte der Sozial- und sonstiger Behörden möglich.
  6. Auch der Einspruch kann bereits heute online per ELSTER eingelegt werden. Lesen Sie dazu unseren Blog-Artikel „Einspruch gegen den Steuerbescheid nun online per ELSTER möglich“.
  7. Einspruchsentscheidungen und Stundungsbescheide werden ebenfalls über ELSTER bereitgestellt werden. Die Bekanntgabe erfolgt hier allerdings erst, wenn der Bescheid tatsächlich abgerufen wurde.

So wird nach dem neuen Gesetz also die digitale Steuererklärung 2017 aussehen:

Infografik-Digitale-Steuererklaerung-2017

2. Gesetzliche Fristverlängerung für beratene Steuerpflichtige – mit Haken

Wer einen Steuerberater beauftragt, wird künftig länger Zeit haben: Bisher gab es nur Erlasse, auf deren Basis eine Fristverlängerung bis zum 31.12. des Folgejahres erlaubt war. Und nur Steuerpflichtige in Hessen haben eine Extrawurst bekommen. Jetzt wurde gesetzlich festgelegt: Wer die Steuererklärung durch einen Steuerberater erstellen lässt, hat zwei Monate länger Zeit. Die Steuererklärung für 2017 muss dann also mit Steuerberater erst am 28.2.2019 beim Finanzamt sein.

Doch ganz so schön, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist das ganze doch nicht. Es gibt nämlich einen großen Haken: In Ausnahmefällen kann der Finanzbeamte die Steuererklärung nach dem Entwurf auch früher fordern. Und das bedeutet: Ist die Anordnung des Finanzamtes da, hat der Steuerpflichtige nur noch drei Monate Zeit. Dazu gehört aber nicht nur der Fall, dass der Steuerpflichtige seine Erklärung schon im Vorjahr zu spät oder gar nicht abgegeben hat. Das Gesetz sieht auch vor, dass diese Vorabforderung auch gegenüber einem Steuerpflichtigen ergehen darf, den das Finanzamt per automatischer Zufallsauswahl ermittelt. Das bedeutet im Klartext: Weder Steuerpflichtiger noch sein Steuerberater haben Einfluss darauf. Zu Recht wurde dieser Umstand vom Steuerberaterverband scharf kritisiert.

Aber es gibt auch für Steuerpflichtige ohne Steuerberater eine gute Nachricht – und das ganz ohne Haken: Erstmals mit der Steuererklärung 2018 wird es zwei Monate mehr Zeit für die Abgabe geben. Damit muss die Steuererklärung 2018 statt 31.5.2019 erst am 31.7.2019 auf dem Tisch des Finanzbeamten liegen.

Es gelten dann für Steuererklärungen, die erstmalig im Jahr 2019 abgegeben werden müssen, folgende Fristen:

Frist zur Aktuell Steuererklärungen ab dem Veranlagungszeitraum 2018
Abgabe der Steuererklärung ohne Steuerberater 5 Monate (31.05.) 7 Monate (31.07.)
Abgabe der Steuererklärung mit Steuerberater 12 Monate (31.12.) 14 Monate (28.02.)
Vorabankündigung einer Erklärung durch das Finanzamt 3 Monate (nach den gemeinsamen Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder) 4 Monate

3. Wermutstropfen: Verschärfungen beim Verspätungszuschlag

Neben der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gibt es auch eine bittere Pille zu schlucken: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben: Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung sah vor, dass 14 Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums automatisch ein Verspätungszuschlag fällig wird – ohne Ausnahme. Bisher lag das Ganze noch im Ermessen des Finanzamtes: Jetzt sollten plötzlich dem „Überfälligen“ grundsätzlich pro angefangenem verspäteten Monat 0,25 % Verspätungszuschlag – mindestens aber 50 Euro – aufgebrummt werden.

Gott sei Dank hat der Bundestag dem Ganzen aber einen Riegel vorgeschoben und das Ganze erheblich entschärft: Ein Verspätungszuschlag beträgt jetzt zwar 0,25% pro Monat, jedoch mindestens 25 Euro. Und er wird auch nicht mehr in jedem Fall fällig.

Vielmehr gilt jetzt:

Einen Verspätungszuschlag gibt es nicht bei

  • Steuerfestsetzungen mit 0 Euro bzw. bei negativer Steuerfestsetzung,
  • Steuerfestsetzungen ohne Nachzahlungen (bspw. aufgrund von Vorauszahlungen) und
  • jährlichen Lohnsteueranmeldungen
  • dem folgenden Fall: Wenn ein Erklärungspflichtiger erstmalig eine Aufforderung des Finanzamts zur Abgabe erhält und eine Frist gesetzt bekommt. Wenn er berechtigterweise davon ausging, keine Erklärung abgeben zu müssen, gilt: Ein Verspätungszuschlag darf dann erstmalig nach Ablauf der gesetzten Frist erhoben werden.

Was das neue Gesetz sonst noch so vorsieht

Das Gesetz enthält weitere Änderungen. Die wichtigsten davon sind:

1. Zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung

  • länderübergreifender Steuerverkürzungen
  • Steuerverkürzungen von internationaler Bedeutung oder
  • Steuerverkürzungen von erheblicher Bedeutung

den Finanzbehörden zu ermöglichen, Daten zum Abruf für andere Finanzbehörden zur Verfügung zu stellen. Diese Daten werden dann im Wege des automatisierten Datenabgleichs überprüft, verwendet und gespeichert, auch soweit sie durch das Steuergeheimnis geschützt sind.

2. Eine verbindliche Auskunft soll nun innerhalb von 6 Monaten erteilt werden. Andernfalls sind dem Antragsteller die Gründe für die spätere Auskunft mitzuteilen. Die Gebühr darf in diesen Fällen nur einmal erhoben werden, wenn alle Beteiligten Gesamtschuldner sind. Die Regelung ist teilweise erst auf Anträge ab dem Jahr 2017 bzw. nach Verkündung des Gesetzes anzuwenden.

3. Druckdienstleistungen werden künftig auf externe Dienstleister übertragen, wobei diese privatwirtschaftlichen Unternehmen das Steuergeheimnis genauso beachten müssen.

4. Es gibt Veränderungen bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gelöst. Hiernach müssen für die Berechnung der Herstellungskosten angemessene Teile der

  • Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie
  • angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs,
  • für freiwillige soziale Leistungen und
  • für die betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 255 Absatz 2 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs

nicht mit einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Das Wahlrecht ist bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz auszuüben.

5. Zudem wurden bei der Grunderwerbsteuer Fristen zur Anzeige von Erwerbsvorgängen von zwei Wochen auf einen Monat verlängert (anzuwenden auf Erwerbsvorgänge nach Verkündung des Gesetzes).

Bundesrat war grundsätzlich einverstanden

Beim Bundesrat fanden die Pläne bereits nach dem ersten Entwurf in weiten Teilen Zustimmung. Er hatte lediglich in einzelnen Punkten Änderungswünsche. Und dies waren damals die wichtigsten Aspekte:

Überwiegend bezweckten diese eine Entlastung des Finanzamts:

  • Dem Finanzamt soll ein Kontenabruf auch im Vollstreckungsverfahren und bei zu Unrecht erhaltenen Steuervergütungen ermöglicht werden. Das ist bisher nur bei der Steuererhebung vorgesehen. Beispiel: Sie haben Kindergeld erhalten, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen. Das Finanzamt fordert die Zahlung zurück, doch Sie leisten die Rückzahlung nicht fristgerecht. Nun soll das Finanzamt hierzu einen Kontenabruf durchführen dürfen.
  • Kontrollmitteilungen aus dem Ausland an das Finanzamt sollen vorgeprüft und gegebenenfalls aussortiert werden. Bedeutet: Erhält das Bundezentralamt für Steuern aus dem Ausland einen Hinweis auf Steuerbetrug durch einen bestimmten Steuerpflichtigen, prüft es auf Basis eigener empirischer und wirtschaftlicher Kenntnisse, ob der Hinweis relevant ist. Ist das nicht der Fall, geht die Kontrollmitteilung nicht an das Finanzamt – eine erhebliche Arbeitserleichterung.
  • Bei einer Personengesellschaft ergeht nur ein Steuerbescheid gegenüber allen Beteiligen (sog. Feststellungsbescheid), der nur einem Gesellschafter zugestellt wird. Bisher ist das beim Verspätungszuschlag nicht vorgesehen. Auch hier möchte der Bundesrat das Finanzamt entlasten: Künftig sollen die beiden Bescheide – Feststellungsbescheid und Festsetzung des Verspätungszuschlags – verbunden werden und der Verwaltungsaufwand dadurch erheblich reduziert werden.

Aber auch der Steuerpflichtige sollte entlastet werden:

  • Statt dem Finanzamt Belege vorzulegen müssen diese nach dem Gesetzesentwurf nur noch aufbewahrt und auf Aufforderung vorgelegt werden. Der Bundesrat schlägt vor, dieses auch auf die Belege zu Kinderbetreuungskosten, Handwerkerleistungen und Belege zur Anrechnung der Kapitalertragsteuer zu erstrecken. Die Aufbewahrungsfrist soll für alle Belege auf 2 Jahre verlängert werden – was wiederum der Verwaltungsvereinfachung dienen soll.
  • Der Bundesrat möchte einem besonderen Problem bei Steuererklärungen von Rentnern entgegenwirken: Rentenbezugsmitteilungen sollen so vereinfacht werden, sodass der Steuerpflichtige problemlos den Einkommensteuerbescheid nachvollziehen kann.

Daneben regte der Bundesrat kleinere Änderungen an, die auch andere Beteiligte entlasten sollen:

  • Kreditinstitute sollen ihre Steuerbescheinigungen elektronisch und nicht mehr, wie bisher, in Papierform übermitteln können.
  • Auch bei Nachweisen für bestimmte medizinische Maßnahmen, um außergewöhnliche Belastung abzuziehen, sollen Vereinfachungen aufgenommen werden.

Fazit: Es sind sich alle einig, dass die Steuererklärung digitaler werden soll. Nach einem Hin und Her ist die digitale Steuererklärung nun endlich auf den Weg gebracht. Das neue Gesetz sieht in Punkto Abgabefrist und Verspätungszuschlag Erleichterungen für den Steuerzahler vor, sodass im Großen und Ganzen alle mit dem neuen Gesetz zufrieden sein dürften. Ende gut, alles gut.