Einspruch gegen den Steuerbescheid: So berechnen Sie die neuen Einspruchsfristen

Gleich nach dem Jahreswechsel seine Steuererklärung abgeben und sich bereits im Februar über die Steuererstattung freuen – das war einmal. Mittlerweile dauert es bis Ende März, bis die Finanzämter überhaupt die Steuererklärung bearbeiten können. Dementsprechend später geben immer mehr Steuerpflichtige ihre Steuererklärung ab und erhalten ihren Steuerbescheid erst dann, wenn sich draußen die Blätter an den Bäumen gelb färben – also jetzt. Höchste Zeit, sich mit den neuen Fristen rund um den Einspruch zu beschäftigen.

Die neuen Einspruchsfristen gelten zwar schon seit Anfang 2017, werden aber erst jetzt so richtig relevant. Wobei es eigentlich keine neuen Fristen an sich gibt, denn es gilt weiterhin eine Einspruchsfrist von einem Monat. Allerdings hat sich bei der Berechnung bezüglich Bekanntgabe, Fristbeginn und Fristende doch einiges getan.

Die bisherige Regelung bis 2016: Nur der Steuerbescheid auf Papier zählte

Auch wer seine Steuererklärung komplett elektronisch per ELSTER abgegeben hat, bekam bisher seinen Steuerbescheid weiterhin auf Papier. Die Benachrichtigung per E-Mail, dass die Bescheiddaten über ELSTER abgerufen werden können, hatte keine Auswirkungen auf die Einspruchsfrist. Das galt zumindest bis Ende 2016.

Beispiel: Lehrer Christian erhielt am 4.10.2016 eine Benachrichtigung per E-Mail, dass sein Steuerbescheid für das Jahr 2015 im ELSTER-Postfach abgerufen werden kann. Weil er gerade eine Klassenarbeit korrigierte, kam er aber nicht dazu, sich den Steuerbescheid anzusehen. Am 22.10.2016 kam der Steuerbescheid per Post. Datum des Bescheids war der 21.10.2016. Christian legte am 9.11.2016 Einspruch ein. So wird die Einspruchsfrist berechnet:

Datum des Bescheids 21.10.
Bekanntgabe (3 Tage später) 24.10.
Beginn der Einspruchsfrist 25.10.
Ende der Einspruchsfrist 24.11.

Der Einspruch vom 9.11. war damit rechtzeitig eingelegt. Die Benachrichtigung per E-Mail spielte hier keine Rolle.

Die neue Regelung ab 2017: Elektronische Bekanntgabe nur mit Zustimmung

Seit dem 1.1.2017 dürfen Steuerbescheide elektronisch bekanntgegeben werden. Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens macht das möglich.

Wichtig: Das Finanzamt darf Ihnen den Steuerbescheid nur dann elektronisch bekanntgeben, wenn Sie der elektronischen Bekanntgabe ausdrücklich zugestimmt haben. Liegt keine solche ausdrückliche Zustimmung vor, zählt für die Einspruchsfrist weder die Benachrichtigung per E-Mail noch der Abruf der Bescheiddaten, sondern wie bisher nur der Steuerbescheid auf Papier.

Fall 1: Wenn keine Zustimmung zur elektronischen Bekanntgabe vorliegt

Beispiel: Lennart übermittelt seine Steuererklärung zwar per ELSTER, der elektronischen Bekanntgabe stimmt er allerdings nicht zu. Am 20.10.2017 erhält er von seinem Finanzamt eine E-Mail mit der Benachrichtigung, dass der Steuerbescheid für das Jahr 2016 im ELSTER-Portal abgerufen werden kann. Den schriftlichen Steuerbescheid erhält er am 4.11. (Datum des Bescheids: 3.11.). Seinen Einspruch legt er am 27.11.2017 ein.
Die Benachrichtigung per E-Mail spielt hier keine Rolle. Nur das Datum des schriftlichen Steuerbescheids zählt für die Berechnung der Einspruchsfrist:

Datum des Bescheids 3.11.
Bekanntgabe (3 Tage später) 6.11.
Beginn der Einspruchsfrist 7.11.
Ende der Einspruchsfrist 6.12.

Der Einspruch vom 27.11. ist damit rechtzeitig eingelegt.

Fall 2: Wann die Benachrichtigung per E-Mail wichtig für Sie ist

Der Steuerbescheid, der elektronisch zum Abruf bereitgestellt wird, gilt am dritten Tag nach Absendung der Benachrichtigung über die Bereitstellung als bekannt gegeben.

Beispiel: Christian hat seine Zustimmung zur elektronischen Bekanntgabe erteilt. Am 2.10.2017 erhält er per E-Mail eine Benachrichtigung, dass sein Steuerbescheid für das Jahr 2016 im ELSTER-Portal abgerufen werden kann – was er jedoch nicht tut. Den schriftlichen Steuerbescheid erhält er am 21.10.2017 (Datum des Bescheids: 20.10.2017). Seinen Einspruch legt er am 9.11.2017 ein.

Datum der Benachrichtigung 2.10.
Bekanntgabe (3 Tage später) 5.10.
Beginn der Einspruchsfrist 6.10.
Ende der Einspruchsfrist 6.11.

(da das eigentliche Fristende, der 5.11., auf einen Sonntag fällt, verschiebt es sich auf den nächsten Werktag)

Der Einspruch vom 9.11. ist damit nicht rechtzeitig eingelegt. Für die Berechnung der Einspruchsfrist zählt jetzt die Benachrichtigung per E-Mail.

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Fall 3: Wann die Benachrichtigung per E-Mail doch nicht zählt

E-Mails können unterwegs im Nirwana verschwinden, im Spam-Ordner landen oder vom Anti-Virus-Programm blockiert werden. Das hat der Gesetzgeber berücksichtigt und geregelt, dass das Finanzamt den Zugang der Benachrichtigung nachweisen muss. Wer also keine Benachrichtigung per E-Mail erhalten hat, dass sein Steuerbescheid zum Abruf bereit steht, muss nicht befürchten, dass die Einspruchsfrist ohne sein Wissen abläuft. In diesem Fall zählt entweder der Tag, an dem der Steuerbescheid tatsächlich abgerufen wird, oder – wenn kein Abruf stattfindet – der Papierbescheid.

Beispiel: Christian hat seine Zustimmung zur elektronischen Bekanntgabe erteilt. Am 20.10.2017 versendet das Finanzamt per E-Mail eine Benachrichtigung, dass der Steuerbescheid für das Jahr 2016 im ELSTER-Portal abgerufen werden kann. Diese E-Mail kommt bei Christian allerdings nie an. Durch Zufall sieht er am 27.10. in seinem ELSTER-Benutzerkonto, dass der Bescheid da ist und ruft ihn ab. Den schriftlichen Steuerbescheid erhält er am 4.11. Seinen Einspruch legt er am 27.11.2017 ein.
Eigentlich zählt für die Berechnung der Einspruchsfrist die Benachrichtigung per E-Mail:

Datum der Benachrichtigung 20.10.
Bekanntgabe (3 Tage später) 23.10.
Beginn der Einspruchsfrist 24.10.
Ende der Einspruchsfrist 23.11.

Damit wäre der Einspruch vom 27.11. verspätet eingelegt.

Da Christian die Nachricht jedoch nicht bekommen hat, zählt das Datum, an dem er den Bescheid abgerufen hat.

Datum des Abrufs 27.10.
Bekanntgabe (mit Abruf) 27.10.
Beginn der Einspruchsfrist 28.10.
Ende der Einspruchsfrist 27.11.

Der Einspruch vom 27.11. ist damit doch rechtzeitig eingelegt. Wegen des elektronischen Abrufs kommt es auf den schriftlichen Bescheid nicht mehr an.

Achtung: Der Abruf wird bei der Finanzverwaltung elektronisch protokolliert. Leugnen ist hier also zwecklos.

Fall 4: Wann doch noch der schriftliche Bescheid für die Einspruchsfrist entscheidend ist

Wer der elektronischen Bekanntgabe zugestimmt hat, aber weder eine Benachrichtigung per E-Mail erhalten noch seinen Steuerbescheid über ELSTER abgerufen hat, für den gilt allein der schriftliche Bescheid. Nur er darf für die Berechnung der Einspruchsfrist herangezogen werden.

Beispiel: Wie oben im Fall 3. Allerdings ruft Christian den Bescheid nicht ab. Den schriftlichen Steuerbescheid erhält er am 4.11. (Datum des Bescheids: 3.11.). Seinen Einspruch legt er am 27.11.2017 ein.

Eigentlich zählt die Benachrichtigung per E-Mail (s. o.). Damit wäre der Einspruch vom 27.11. verspätet eingelegt. Da er weder die Benachrichtigung erhalten noch den Bescheid abgerufen hat, zählt hier nur das Datum des schriftlichen Steuerbescheids:

Datum des Bescheids 3.11.
Bekanntgabe (3 Tage später) 6.11.
Beginn der Einspruchsfrist 7.11.
Ende der Einspruchsfrist 6.12.

Der Einspruch vom 27.11. war damit rechtzeitig eingelegt.

Fazit: Früher war nicht alles schlechter

Der Gesetzgeber hat die Unzuverlässigkeit elektronischer Kommunikation berücksichtigt – und das ist gut so. Lobenswert ist auch, dass das Finanzamt den Zugang der Benachrichtigung nachweisen muss. Weniger gelungen ist, dass es statt einem Datum jetzt drei Daten gibt, anhand derer die Einspruchsfrist berechnet werden kann. Je nachdem, welcher Fall auf Sie zutrifft, wird ein anderer Beginn der Einspruchsfrist zugrunde gelegt. Sie müssen also genau prüfen, welcher Fall bei Ihnen vorliegt und wann damit für Sie die Einspruchsfrist beginnt und endet. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie am besten Ihren felix1.de-Steuerberater.

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