„Betriebsprüfung: Theoretisch kann es jeden Unternehmer treffen!“

Der Betriebsprüfer klopft an die Tür – für viele Unternehmer ist das eine Horrorvorstellung. Doch wenn man alles richtig macht und weiß, was auf einen zukommt, gibt es gar keinen Grund, die Betriebsprüfung zu fürchten. felix1.de-Steuerberater Marco Spindler weiß, worauf es ankommt – und hat uns vier Fragen zum Thema Betriebsprüfung beantwortet.

1. Guten Tag, Herr Spindler. Wann muss ein Unternehmer mit einer Betriebsprüfung rechnen?

Herr Spindler: Findet das Finanzamt etwas Auffälliges, schickt es in der Regel einen Betriebsprüfer vorbei. Auf die Prüfungsliste kommt ein Unternehmen insbesondere aus folgenden möglichen Gründen:

  • Es besteht Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung. Das kann zum Beispiel passieren, weil bei einer Prüfung eines anderen Unternehmens fehlerhafte Rechnungen gefunden wurden oder unklare Zahlungsflüsse vorliegen. Möglich ist auch, dass ein unzufriedener ehemaliger Mitarbeiter, die Ex-Frau oder ein neidischer Konkurrent einen Hinweis gegeben hat.
  • Es gibt Auffälligkeiten in den Jahresabschlüssen oder anderen Daten. Auch große Schwankungen beim Aufschlagsatz oder Rohgewinn lassen das Finanzamt aufhorchen.
  • Die Branche ist Prüfungsschwerpunkt beim jeweiligen Betriebsfinanzamt.
  • Bei vorangegangenen Prüfungen gab es bereits Auffälligkeiten.
  • Steueranmeldungen und Steuererklärungen wurden mehrfach verspätet abgegeben.
  • Letztendlich kann aber auch die Software der Finanzverwaltung einfach nur das betreffende Unternehmen zufällig ausgewählt haben.

In der Regel müssen sich die Unternehmer überall auf ähnliche Prüfungsschwerpunkte einstellen. Es gibt jedoch Listen einzelner OFD, die ihre wichtigsten Prüffelder veröffentlichen (siehe auch Prüffelder für das Kalenderjahr 2018 der OFD NRW). Das sind aber nur Schwerpunkte. Der Prüfer darf immer unabhängig von den dort genannten Punkten auch weitere aufgreifen. Es gilt also für die Betriebsprüfung: Theoretisch kann es jeden Unternehmer treffen!

2. Hatten Sie einmal einen Fall in Ihrer Kanzlei, in dem eine Betriebsprüfung anstand? Wenn ja, worum ging es in dem Fall?

Herr Spindler: Ja, mehrere. Kürzlich hatten wir ein Unternehmen, bei welchem das Finanzamt insbesondere die interne Rechnungslegung im Betrieb genau untersucht hat (speziell für diese Branche entwickelte Software für Aufmaße, Angebote, Rechnung eines Systemhauses). Dabei stellte die Prüferin fest, dass die Software nicht den GOBD entspricht. Rechnungen waren änderbar und auch löschbar, ohne dass die ursprünglich erstellte Rechnung irgendwo im System archiviert wurde. Es gab auch keine Hinweise in den Rechnungsausgangsbüchern, dass die Rechnung nachträglich bearbeitet oder gelöscht wurde. Solch eine Software entspricht nicht den Anforderungen der Finanzverwaltung. Rechnungsnummern müssen fortlaufend sein und Änderungen erkennbar (revisionssicher). Solche formellen Mängel an der Buchführung berechtigen die Finanzverwaltung unter Umständen zu Hinzuschätzungen. In unserem Fall ging die Prüfung gut aus, da sonst keinerlei Mängel festgestellt wurden und die Buchführung auch sonst sehr ordentlich und nachvollziehbar und vollständig war

Sehr beliebt sind auch Fälle, in denen der Unternehmer eine Kasse führt. Denn hier gibt es seit 2017 besonders strenge Anforderungen. Elektronische Kassen müssen seitdem in der Lage sein, bestimmte Daten zu speichern:  So muss jeder Einzelumsatz über einen Zeitraum von 10 Jahren gespeichert werden. Und seit dem 1.1.2018 kann das Finanzamt zu alledem auch noch eine unangekündigte Kassen-Nachschau durchführen. Stimmt dabei etwas nicht, kann er einfach so in die Betriebsprüfung übergehen.

3. Und wie läuft so eine Betriebsprüfung ab?

Marco Spindler, Steuerberater bei der
felix1.de-Niederlassung Arnsberg

Herr Spindler: Der Betriebsprüfer kommt in den Betrieb und erläutert zu Beginn, wie die Betriebsprüfung ablaufen soll. Währenddessen stellt er auch schon Fragen. Dann führt er die eigentliche Betriebsbesichtigung inklusive der Prüfung der Unterlagen durch. Hierbei betritt er die Betriebsräume unter Anwesenheit des Betriebsinhabers. Währenddessen kann er weitere Fragen stellen – auch an Dritte und im Ausnahmefall an Angestellte. Zum Schluss erfolgt eine Schlussbesprechung. Die Ergebnisse fasst der Prüfer im Nachgang in einem Schlussbericht zusammen.

Im von mir geschilderten Fall hat sich die Prüferin auch die Akten einzelner Projekte zeigen lassen, den Wareneinkauf im Verhältnis zum erzielten Erlös geprüft und sich auch die Stundenzettel der Mitarbeiter, die mit diesen Projekten beschäftigt waren, zeigen lassen. Größere Abweichungen zu den durchschnittlichen Aufschlagsätzen mussten vom Unternehmer erklärt werden (dieses war in unserem Fall auch unproblematisch und plausibel, so dass es zu keinen negativen Feststellungen kam).

Im Allgemeinen bekommt der Prüfer zu Beginn der Prüfung die Daten der Buchführung in elektronischer Form ausgehändigt und lässt diese durch die von der Finanzverwaltung verwendete Software (IDEA) prüfen. Diese Software gibt dem Prüfer Hinweise auf fehlende Rechnungsnummern und ähnliche auffällige Daten (Chi-Quadrat-Test, Gaußsche Glockenkurve u.ä.). Solche mathematisch-statistischen Verfahren können Auffälligkeiten zum Vorschein bringen, die entweder erklärbar sind, oder dazu führen, dass bestimmte Sachverhalte genauer geprüft werden. Eine Auffälligkeit muss nicht zwingend zu einem Mehrergebnis führen.

4. Gibt es tatsächlich diesen Small-Talk mit Fangfragen des Prüfers, um möglichen Fehlern auf die Schliche zu kommen?

Herr Spindler: Betriebsprüfer stellen gerne scheinbar beiläufig private Fragen: Bei Fragen wie „Na, wie sieht es denn bei Ihnen mit einer Hochzeit aus“, „haben Sie eigentlich auch Kinder?“ oder „Sie sind sicher im Stress – wann war denn der letzte Urlaub?“ sollte der Unternehmer aufpassen. Denn aus den Antworten lassen sich oft Rückschlüsse auf die unternehmerische oder steuerliche Situation ziehen. Und schnell ist etwas gesagt, das der Prüfer zu Lasten des Unternehmers auslegt

Beispiel: Der Unternehmer gibt an, im Januar im Urlaub gewesen zu sein. Gleichzeitig findet der Betriebsprüfer eine Rechnung, der den Leistungszeitraum Januar enthält. Dieser Unstimmigkeit wird der Betriebsprüfer sicher gegen den Unternehmer verwenden.

Aus solchen Gründen bietet sich übrigens auch an, einen Steuerberater dabei zu haben. Denn dieser kennt die typischen Fragen, aus denen der Betriebsprüfer dem Unternehmer einen Strick drehen kann.

Vielen Dank, Herr Spindler, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um unsere Fragen zu beantworten!

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