Freiberuflich vs. gewerblich: Wer ist was und was ist der Unterschied?

Wer als Selbstständiger Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit erzielt, hat ein paar Vorteile: Er spart sich die Gewerbesteuer, hat weniger Gänge zum Amt und mit dem Jahresabschluss weniger Arbeit. Aber: Für kleine Gewerbetreibende ist der Nachteil gar nicht so groß, denn sie werden fast wie Freiberufler besteuert. Wir zeigen das anhand eines konkreten Beispiels.

Was bin ich: Freiberufler oder Gewerbetreibender?

Nein, hier geht es nicht um ein Ratespiel, sondern um den Charakter Ihrer beruflichen Tätigkeit. Denn – und das klingt vielleicht ein bisschen pathetisch: Wer seine Tätigkeit eigenverantwortlich, fachlich unabhängig auf Basis einer besonderen beruflichen Qualifikation oder schöpferischer Begabung erbringt, ist Freiberufler.

Wer dagegen „einfach nur“ legal und nachhaltig selbstständig tätig ist, daraus einen Gewinn erzielen will und für Außenstehende erkennbar seine Produkte oder Dienstleistungen anbietet, ist Gewerbetreibender. Typische Beispiele sind Gaststätten, Einzelhändler und Produktionsbetriebe.

Freiberuflich oder gewerblich: Welchen Unterschied macht das?

Diese Unterscheidung hat handfeste Auswirkungen und Freiberufler haben dabei  Vorteile: Sie bezahlen keine Gewerbesteuer und dürfen unabhängig von der Höhe Ihrer Umsätze und Gewinne die vergleichsweise einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung nutzen. Dagegen muss der Gewerbetreibende bei einem Gewinn von über 60.000 € oder einem Umsatz von über 600.000 € zwingend eine Bilanz erstellen.

Selbstständige mit gewerblichen Einkünften werden jedoch nicht sofort mit Gewerbesteuer belastet, sondern erst, wenn der Gewerbeertrag den Freibetrag von 24.500 € übersteigt. Und muss tatsächlich Gewerbesteuer gezahlt werden, ist eine Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld möglich. So sieht die Vergleichsrechnung aus:

Ein alleinstehender Programmierer hat einen Stundensatz von 60 Euro netto und arbeitet 1.200 Stunden im Jahr. Er hat Betriebsausgaben von 8.000 Euro. Wie hoch ist das Nettoeinkommen 2016, wenn er als Freiberufler oder alternativ als Gewerbetreibender behandelt wird?

Freiberufliche Einkünfte Gewerbliche Einkünfte
Umsatz 72.000 Euro 72.000 Euro
Betriebsausgaben 8.000 Euro 8.000 Euro
Gewinn 64.000 Euro 64.000 Euro
tarifliche ESt 18.485 Euro 18.485 Euro
Gewerbesteuer (Hebesatz 420%) 5.804 Euro
davon anrechenbar auf ESt 5.251 Euro
ESt (nach GewSt-Anrechnung) 13.234 Euro
Solidaritätszuschlag 1.017 Euro 728 Euro
Gewinn nach Steuern 44.498 Euro
44.234 Euro

Ergebnis: In dem Beispiel mindert sich das Nettoeinkommen (Gewinn nach Steuern) durch die Gewerbesteuer nur um 264 Euro.

Weitere Unterschiede: Freiberufler müssen kein Gewerbe anmelden und auch nicht zwangsweise der Industrie- und Handelskammer oder einer Handwerkskammer beitreten. Sie sind nur verpflichtet, dem Finanzamt Bescheid zu geben, wenn sie eine freiberufliche Tätigkeit aufnehmen und oft gibt es gar keinen Zwang, einer Kammer oder Berufsorganisation anzugehören.

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Die Zuordnung ist manchmal einfach – oft aber nicht

Eindeutig ist die Sache bei den „klassischen“ freien Berufen, die das Gesetz aufzählt: Ärzte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Ingenieure oder Architekten sowie sonstige selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, erzieherische und unterrichtende Tätigkeiten. Soweit so klar.

Da die Berufswelt aber sehr vielfältig ist, kann der „Katalog“ der ausdrücklich genannten Tätigkeiten nicht abschließend sein. Deshalb sind Sie auch dann Freiberufler, wenn Ihre Tätigkeit den „Katalogberufen“ ähnelt. In vielen Fällen ist die Abgrenzung schwierig, häufig landen Fälle deshalb bei den Gerichten.

Denn „ähnlich“ muss nicht nur die konkrete berufliche Tätigkeit sein. Auch bei Berufsausbildung (sofern vorgeschrieben) und Zugangsvoraussetzungen wird Vergleichbarkeit verlangt, insbesondere dann, wenn Sie nur mit staatlicher Erlaubnis beruflich tätig sein dürfen. „Ähnliche Berufe“ entstehen vor allem im Gesundheitswesen, im technisch-wissenschaftlichen Bereich, aber auch bei den Beratungstätigkeiten in Recht und Wirtschaft.

Ist ein Rentenberater Freiberufler?

Rentenberater dürfen ihre Kunden bei rentennahen Themen wie Sozialrecht, Sozialversicherungs- oder Versorgungsrecht unabhängig beraten und auch vor Gericht vertreten – ähnlich wie ein Rechtsanwalt. Aber deswegen ist der Rentenberater noch lange kein Freiberufler, so das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 31.8.2016 – 2 K 3950/14 G).

Grund: Die Ausbildungen sind zu verschieden. Das Jurastudium ist breit angelegt, während es beim Rentenberater um sehr spezielles Wissen geht und er deshalb – anders als der Anwalt – nur eng begrenzte Aufgaben übernehmen darf.

Tipp: Endgültig entscheidet der BFH. Legen Sie als Rentenberater Einspruch ein und beantragen Sie Ruhen des Verfahrens, falls das Finanzamt ihre Einkünfte als gewerblich ansieht. Denn die Entscheidung des BFH in dieser Sache steht noch aus (Aktenzeichen VIII R 26/16).

Wie Programmierer zu Freiberuflern werden

„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ sagt der Volksmund. Vielleicht muss sich deshalb jeder, der in einem technischen oder EDV-Beruf freiberuflich tätig sein will, mit einem Ingenieur bzw. einem Architekten vergleichen lassen.

Die technischen Kenntnisse müssen ähnlich sein, eine entsprechend fundierte Berufsausbildung ist das A und O. Daneben kommt es auf die ingenieurmäßige Arbeitsweise an: Dazu gehören bei jedem Projekt die Planung, Konstruktion und Überwachung.

Da ist es mittlerweile auch nicht mehr so entscheidend, ob Sie System- und individuelle Anwendersoftware entwickeln, Firmennetzwerke und –server aufbauen und betreuen oder komplexe IT-Projekte leiten. Die Gerichte haben sich in den letzten Jahren der Aufgabenvielfalt zunehmend geöffnet und diverse erfreuliche Urteile in Richtung Freiberuflichkeit gefällt.

Über Geschmack lässt sich streiten …

… und zumindest in der Kunst hat das konkrete und manchmal ziemlich skurrile Folgen. Oder wären Sie auf die Idee gekommen, dass sogar eine Akademie für Kunstdesign bemüht wird, um zu begutachten, ob von einem Unternehmen kreierte Werbeprospekte und Imagebroschüren die für Kunst erforderliche „Gestaltungshöhe“ haben? So geschehen im Auftrag des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz. Wieder ging es um die Frage „gewerblich oder freiberuflich“? Das klagende Werbeunternehmen zog den Kürzeren und wurde zum Gewerbebetrieb erklärt.

Denn – so die Kunstexperten – der Gestaltungsfreiraum für künstlerische Stilmittel werde durch die Auftraggeber so beschränkt, dass beim Betrachter keine Stimmungen oder Gefühle ausgelöst, sondern in erster Linie Sachinformationen vermittelt werden. Es geht also mehr um Handwerk als um Kunst (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.10.2013, 6 K 1301/10).

Fazit: Insbesondere kleinere Selbstständige sollten nachrechnen, ob sich eine Auseinandersetzung mit dem Finanzamt um den Status als Freiberufler finanziell lohnt.

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