Digitale Plattform zur Meldung von Steuerbetrug: zu viel Getöse

In den vergangenen Wochen gab es heftige Diskussionen um ein neues Onlineportal: Die Finanzverwaltung von Baden-Württemberg hatte eine Hinweisgeberplattform veröffentlicht, mit dem Bürger Steuerdelikte anonym melden können. Es hagelte Kritik: Denunziantentum und Stasi-Methoden lauteten einige Vorwürfe. Doch so neu und bahnbrechend ist die Idee des Portals gar nicht. Lesen Sie, warum das alles gar nicht so wild ist.

Am 30.8. informierte die OFD Karlsruhe: „Die baden-württembergische Steuerverwaltung führt das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter ein.“ Am Tag darauf schwappte eine Welle an Kritik durch die deutsche Presse. Vergleiche mit der DDR-Diktatur und Bezeichnungen als digitaler Steuerpranger waren plötzlich an der Tagesordnung. Doch eigentlich verbirgt sich hinter dem System keine große Neuheit. Vielmehr konnten Bürger schon immer anonyme Hinweise an die Finanzverwaltung geben.

Steuersünden anschwärzen: So ging es bisher

Wer das Finanzamt dezent auf mögliche Steuerdelikte hinweisen wollte, fand auch schon vor der Veröffentlichung des Portals Gehör beim Staat: Per Anruf oder persönlichem Besuch beim Finanzamt konnten Menschen, die sich dazu berufen fühlten, ihren Verdacht anzeigen. Wer anonym bleiben wollte, konnte zum Brief oder zur E-Mail greifen.

Die Folge einer solchen Anzeige: Sind genug Anhaltspunkte vorhanden, dass ein Steuerdelikt vorliegt, muss die Finanzverwaltung der Anzeige nachgehen. Wenn es offensichtlich ist, dass die Hinweise keine Relevanz haben, darf die Finanzverwaltung dies nicht weiterverfolgen. So ist die Rechtslage schon immer gewesen und so ist sie noch immer.

Beispiel:

A hat ständig Streit mit seinem Nachbarn B, weil dieser sich immer wieder mit seinem Porsche vor seine Einfahrt stellt. A weiß nicht, was B beruflich macht, aber denkt “den kann er sich bestimmt nicht leisten”. Er ärgert sich so über ihn, dass er ihn völlig ohne Anhaltspunkte anonym beim Finanzamt anzeigt. Das Finanzamt wird der Anzeige nicht nachgehen, weil ein teures Auto allein keinen Verdacht für Steuerhinterziehung begründet.

Was ist jetzt anders?

Warum aber brüstet sich Baden-Württemberg mit dem neuen Portal – und warum regen sich alle so auf? Der Unterschied ist: Die Finanzämter haben nun die Möglichkeit, über einen digitalen Postkasten anonym Rückfragen zu stellen. Wer bisher einen anonymen Brief geschrieben hatte, bei dem konnte die Verwaltung auch keine Rückfragen stellen. In dem Portal werden die eingegebenen Daten verschlüsselt übertragen, der Zugriff auf personenbezogene Daten der Hinweisgeber ist nach Angaben der OFD Karlsruhe ausgeschlossen. Außerdem gibt es Pflichtfelder, über die qualifizierte Angaben gemacht werden müssen. Hiervon erhofft sich die Direktion, dass die Qualität der Anzeigen und damit die Zahl der Ermittlungsverfahren steigen.

Beispiel:

A weiß, dass B ein Restaurant betreibt, in dem A aber nie Gäste sieht. B hat allerdings zwei teure Sportwagen in seiner Garage. A meldet seinen Verdacht anonym über das Hinweisgeberportal. Das Finanzamt wird sich für den Fall interessieren und weiter nachhaken wollen. Da es jedoch in Deutschland mehrere Personen gibt, die so heißen wie B und zwei Sportwagen besitzen, fragt das Finanzamt bei A nach dem Wohnort. Hätte A einen anonymen Brief geschrieben, hätte das Finanzamt nicht nachfragen können und den Verdacht verwerfen müssen.

Kritik: Hemmschwelle geringer

Ein weiterer Vorwurf: Hartmut Schwab, der Präsident der Steuerberaterkammer, kritisiert das Portal wegen der niedrigeren Hemmschwelle: Online gehe immer alles schneller und hemmungsloser, sodass man dazu neige, schneller den nervigen Nachbarn oder den ehemaligen Arbeitgeber anzuschwärzen. Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass das Finanzamt nur substanziellen Verstößen nachgeht. Das Finanzministerium Baden-Württemberg erklärt: “Dies setzt voraus, dass die Hinweise schlüssig formuliert, wahre Angaben und konkrete Informationen enthalten müssten”. Deshalb seien Details wichtig, die sich nachprüfen lassen. „Die bloße Behauptung, jemand habe Steuern hinterzogen, reicht nicht aus.“

Fazit: Die Meldeplattform in Baden-Württemberg ist sicher ein Portal, das es so noch nicht gegeben hat. Im Großen und Ganzen ist daran aber nur neu, dass die Finanzämter jetzt auch Nachfragen beim Hinweisgeber stellen können, wenn dieser anonym bleiben wollte. Das könnte im Ergebnis dazu führen, dass mehr Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Denunziantentum wird dadurch allerdings nicht mehr gefördert als vorher: Wer wollte, konnte schon vorher seinen Nachbarn beim Finanzamt anschwärzen.