Mehrwertsteuer und Vereinfachung – diese beiden Begriffe passen ungefähr so gut zusammen wie Schneeballschlacht und Freibad. Und doch ist es den Wirtschafts- und Finanzministern der EU-Mitgliedstaaten innerhalb eines Jahres gelungen, sich auf ein neues Mehrwertsteuersystem zu einigen. Dieses soll insbesondere Startups und KMU den grenzüberschreitenden Onlinehandel erleichtern. Ob dieses Ziel mit den geplanten Regelungen erreicht werden kann, zeigt ein Vergleich mit der bestehenden Rechtslage.
Warum musste überhaupt reformiert werden?
Wie immer geht es bei Steuerreformen um Geld. Viel Geld. Denn die Mitgliedstaaten der EU verlieren pro Jahr 150 Milliarden Euro an Umsatzsteuer beim grenzüberschreitenden Onlinehandel. Grund ist das bisherige System, das angesichts dieser Zahl doch recht anfällig für kreative Steuergestaltungen zu sein scheint.
Zwar gilt der Grundsatz: Alle Warenlieferungen und Dienstleistungen werden dort besteuert, wo sie verbraucht bzw. konsumiert werden. Dieses sogenannte Bestimmungslandprinzip wurde jedoch mit der Festlegung von Lieferschwellen teilweise ausgehebelt. Denn dadurch werden grenzüberschreitende Lieferungen an Endverbraucher erst ab deren Überschreiten im Bestimmungsland versteuert. Um es noch komplizierter zu machen, gelten je nach EU-Land unterschiedliche Lieferschwellen.
Lieferungen an Unternehmer sind für den Lieferanten umsatzsteuerfrei und müssen vom Empfänger im Bestimmungsland versteuert werden.
Da diese Regelungen offensichtlich zum Umsatzsteuerbetrug geradezu einladen bzw. der bürokratische Aufwand unverhältnismäßig hoch ist, war eine Reform dringend erforderlich.
Was ändert sich bei Lieferungen an Endverbraucher im EU-Ausland?
Bisher gilt: Die Lieferschwellen variieren von Mitgliedsland zu Mitgliedsland und betragen zwischen 35.000 Euro und 100.000 Euro.
Das ist neu: In Zukunft gibt es für alle Länder einen einheitlichen Schwellenwert von 10.000 Euro. Dies soll schon ab dem 1.1.2019 gelten.
Beispiel: Lars hat erst kürzlich sein Unternehmen gegründet. Seine Ware verkauft er in Deutschland, verschickt sie aber auch nach Österreich. Lars muss bezüglich der Umsatzsteuer auf die Lieferschwelle dieses Landes achten. Sie beträgt für Österreich 35.000 Euro pro Jahr. Maßgebend sind die Nettoentgelte (ohne Umsatzsteuer) aller Versandhandelslieferungen in das jeweilige Bestimmungsland. Mit seinen Verkäufen in Österreich erzielt Lars im Jahr 2018 15.000 Euro Nettoentgelte. Damit liegt er derzeit noch unter dem Schwellenwert und kann alle seine Umsätze in Deutschland versteuern. Ab dem Jahr 2019 beträgt der Schwellenwert einheitlich 10.000 Euro. Bei gleichbleibenden bzw. steigenden Verkaufszahlen könnte Lars seine Umsätze dann nicht mehr in Deutschland versteuern.
Bisher gilt: Bis zum Schwellenwert werden Umsätze in dem Land versteuert, aus dem der Unternehmer verschickt. Wird der Schwellenwert überschritten, muss sich der Unternehmer in dem jeweiligen EU-Land umsatzsteuerlich registrieren, dem Kunden die dortige Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an das entsprechende Land abführen.
Das ist neu: Händler erklären in Zukunft ihre ausländische Umsatzsteuer über eine zentrale Anlaufstelle, die es in jedem EU-Land geben wird (One-Stop-Shop). Die Umsatzsteuer wird auf ein inländisches Konto überwiesen. Dies soll ab 2021 gelten. Der One-Stop-Shop hat den Vorteil, dass dort alle im EU-Ausland steuerpflichtigen Erlöse gemeldet und auch zentral die Steuern eingezogen werden.
Beispiel: Überschreitet Unternehmer Lars auch in den kommenden Jahren die Lieferschwelle, führt er ab 2021 die Umsatzsteuer für Lieferungen nach Österreich nicht mehr in Österreich ab, sondern zahlt sie an die zentrale Anlaufstelle in Deutschland.
Praxistipp: Der einheitliche Schwellenwert ist unbedingt zu begrüßen, wird jedoch bis zur Einführung des One-Stop-Shop erst einmal zu Mehraufwand führen, da die Unternehmen sich schon bei deutlich geringeren Umsätzen als bisher im Bestimmungsland steuerlich registrieren müssen. Als frisch gegründetes Start-up oder KMU kann Sie das schnell an die Grenzen Ihrer Buchhaltung führen. Planen Sie deshalb die entsprechenden zeitlichen und personellen Ressourcen schon jetzt ein.
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Was ändert sich bei Lieferungen an Unternehmer im EU-Ausland?
Bisher gilt: Grenzüberschreitende Lieferungen in ein anderes EU-Land sind umsatzsteuerfrei.
Das ist neu: Grenzüberschreitende Lieferungen sind nicht mehr steuerbefreit. Sie werden stattdessen mit dem Umsatzsteuersatz des Bestimmungslandes versteuert. Die Umsatzsteuer wird ebenfalls über den One-Stop-Shop angemeldet und abgeführt. Das soll ab 2022 gelten.
Beispiel: Verkauft Unternehmer Lars seine Waren auch an Unternehmer in Österreich, sind diese Lieferungen derzeit noch umsatzsteuerfrei. Ab dem Jahr 2022 muss Lars die österreichische Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an die zentrale Stelle abführen.
Praxistipp: Für Unternehmer bedeutet diese Neuregelung einen Mehraufwand, da sie nun die Umsatzsteuer ausweisen und abführen müssen. Vor allem kleine Unternehmen oder Unternehmen in der Gründungsphase sollten dies bei ihren Planungen entsprechend berücksichtigen.
Checkliste: Der richtige Einstieg in den Onlinehandel
Wer eine zündende Geschäftsidee hat, brennt darauf, sie möglichst schnell in die Tat umzusetzen. Doch gerade im Bereich Onlinehandel warten etliche Stolperfallen, die aus einem florierenden Geschäft schnell ein insolventes Unternehmen machen können. Unsere Checkliste hilft Ihnen dabei, die wichtigsten Punkte vorab zu bedenken.
⇒ Finden Sie die für Sie geeignete Rechtsform.
Wollen Sie eine UG oder eine GmbH gründen oder als Einzelunternehmer geschäftlich tätig sein?
⇒ Prüfen Sie Ihren steuerlichen Status.
Haben Sie Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor?
Bei grenzüberschreitendem Handel müssen Sie darüber hinaus klären, wo Sie jetzt und in Zukunft Ihre Umsätze versteuern müssen.
⇒ Erstellen Sie einen Businessplan.
Nur mit einer überzeugenden Planung sind zum Beispiel Finanzierungsgespräche mit der Bank erfolgreich.
⇒ Wählen Sie die für sich geeignete Plattform aus.
Wollen Sie über ebay oder Amazon verkaufen oder doch lieber eine eigene Webseite betreiben?
⇒ Melden Sie Ihr Unternehmen an.
Teilen Sie dem Finanzamt mit, ab wann und in welcher Form es Sie und Ihr Unternehmen geben wird.
Liegt eine gewerbliche Tätigkeit vor, brauchen Sie einen Gewerbeschein.
Vergessen Sie nicht, sich auch bei verschiedenen Zahlungsanbietern zu registrieren, um Ihren Kunden eine Auswahl an Zahlungswegen anzubieten.
⇒ Entscheiden Sie sich für eine geeignete E-Commerce-Software.
Welche die richtige Software für Sie ist, ist zum einen Geschmackssache, zum anderen je nach Einzelfall zu entscheiden.
Bei der Auswahl sollten Sie Wert auf eine sinnvolle Struktur in der Navigation legen und darauf achten, dass die Software auf Wachstum angelegt ist. So müssen Sie Ihren Shop nicht umbauen, wenn Ihre Anzahl an Produkten steigt.
⇒ Scheitern Sie nicht an Lagerhaltung und Buchhaltung.
Eine gute Software für die Warenwirtschaft mit einer Schnittstelle zum Onlineshop ist der Schlüssel zum Erfolg. Nur so behalten Sie den Überblick über Ihre Warenbestände und sparen sich eine doppelte Buchhaltung.
Schaffen Sie rechtzeitig geeigneten Lagerraum. Bei Erfolg wird das heimische Wohnzimmer schnell zu klein werden.
⇒ Auch der Versand ist wichtig.
Ist Ihre Ware zu lange unterwegs, vergraulen Sie damit Kunden. Egal für welchen Versandweg oder für welches Logistikunternehmen Sie sich entscheiden, es muss schnell gehen.
Die Angabe der genauen Versandkosten und Lieferzeiten ist Pflicht.
⇒ Bieten Sie mehrere gängige Zahlungsarten zur Auswahl.
Mit Vorauskasse sind Sie zwar auf der sicheren Seite, die Kunden verlangen allerdings eher nach Rechnungen, PayPal oder Lastschrifteinzug – und diese Zahlungswege sollten Sie auch anbieten.
⇒ Heben Sie sich durch einen guten Kundenservice von der Konkurrenz ab.
Insbesondere muss der Retourenprozess leicht und einfach möglich sein. Auch sollten Sie Ihre Kontaktdaten deutlich sichtbar kommunizieren.
⇒ Holen Sie sich Hilfe in Sachen Allgemeine Geschäftsbedingungen, Widerrufsrecht, Datenschutz und Impressum.
Eine Abmahnung wegen eines kleinen Fehlers ist nicht nur ärgerlich, sondern kann auch richtig teuer werden. Eine Rechtsberatung vorab kostet zwar auch Geld, ist aber sinnvoll angelegt. Also sparen Sie hier nicht an der falschen Stelle.
Ausblick
Ob das neue Mehrwertsteuersystem weniger betrugsanfällig ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall ist die Mehrwertsteuerreform auf den Weg gebracht worden, und das ist auch gut so.