Erwischt: Amazon hat 250 Millionen Euro zu wenig Steuern gezahlt

Amazon-PaketWer träumt nicht davon, nur ein Viertel der Steuern zahlen zu müssen, die man eigentlich zahlen müsste? Amazon ist das tatsächlich gelungen – mit tatkräftiger Unterstützung von Luxemburg. Wie das möglich war, was die EU-Kommission entschieden hat, ob und wie Amazon oder gar Luxemburg zur Rechenschaft gezogen werden, warum Luxemburg seine Steuervergünstigung jetzt sogar vor Gericht verteidigen will und welche neuen Ideen es gibt, um die Konzerne zur Kasse zu bitten, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Als multinationaler Konzern steht man immer im Fokus: der Kunden, der Konkurrenz, der Steuerprüfer – und auch der EU-Kommission. Bei Amazon hatte diese etwas geradezu Ungeheuerliches entdeckt. Das EU-Land Luxemburg ersparte dem Unternehmen über mehrere Jahre hinweg insgesamt satte 250 Millionen Euro an Steuern.

Wie konnte Amazon so viele Steuern sparen?

Möglich war das so: Amazon wickelte sein Einzelhandelsgeschäft einfach in Europa über die Betriebsgesellschaft Amazon EU SARL ab. Und diese war in Luxemburg steuerpflichtig. Kunden, die Waren über irgendeine Amazon-Webseite in Europa einkauften, kauften diese laut Vertrag also bei genau dieser Betriebsgesellschaft. Dadurch konnte Amazon den aus sämtlichen Verkäufen in Europa entstandenen Gewinn in Luxemburg verbuchen.

Daneben existierte dann auch noch eine Holdinggesellschaft, die Amazon Europe Holding Technologies. Sie war Inhaberin bestimmter Rechte geistigen Eigentums des Amazon-Konzerns für Europa. Nun erteilte sie der Betriebsgesellschaft Amazon EU SARL eine Lizenz, damit diese die Rechte nutzen und das Einzelhandelsgeschäft von Amazon in Europa betreiben durfte. Die Holdinggesellschaft unterlag jedoch wegen ihrer Rechtsform als Kommanditgesellschaft – anders als die Betriebsgesellschaft – nicht der Körperschaftsteuer in Luxemburg. Sie muss also ihre Gewinne nicht versteuern.

So weit, so legal.

Für die Nutzung der Lizenz zahlte die Betriebsgesellschaft der Holdinggesellschaft eine Lizenzgebühr. Dabei gilt: Je höher diese Gebühr ist, desto niedriger fällt der zu versteuernde Gewinn der Betriebsgesellschaft aus. Und der Clou daran: Die erhaltenen Gebühren musste die Holdinggesellschaft ja nicht versteuern – zumindest nicht in Luxemburg. Diese Steuerrechnung ging also mehr als auf – vor allem weil die Lizenzgebühr mehr als 90 % der Gewinne der Betriebsgesellschaft betrug. Dreiviertel der Gewinne wurden damit der Holdinggesellschaft zugewiesen und nicht versteuert. Da blieb für den Luxemburger Fiskus kaum etwas übrig.

Aber anscheinend war Luxemburg auch gar nicht daran interessiert, mit Amazon überhaupt nennenswerte Steuereinnahmen zu erzielen. Denn es stellte der Betriebsgesellschaft einen sog. Steuervorbescheid aus, mit dem deren Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage genehmigt und die Methode zur Ermittlung der jährlichen Zahlungen für die Nutzung der Lizenz gebilligt wurde. Damit gab Luxemburg seinen ausdrücklichen Segen zu diesem Steuerspar-Modell.

Und so kam es, dass Amazon nur ein Viertel der Steuern zahlte, die andere lokale Unternehmen entrichten mussten – und das, obwohl sie eigentlich denselben nationalen Steuervorschriften unterlagen.

[adrotate banner=“8″]

Warum hat sich die EU-Kommission eingemischt?

Ein EU-Mitgliedsstaat darf einem multinationalen Konzern keine Steuervergünstigung gewähren, die anderen Unternehmen nicht zur Verfügung steht. Nach den EU-Beihilfevorschriften ist eine solche Begünstigung nämlich verboten. Die Kontrolle, ob unzulässige Beihilfen gewährt werden, obliegt der EU-Kommission.

Im Rahmen der Prüfung, ob eine unzulässige Beihilfe vorliegt, prüft die EU-Kommission vor allem: Steht die Transaktion zwischen Unternehmen einer Unternehmensgruppe mit der wirtschaftlichen Realität im Einklang? Insbesondere muss der sog. Fremdvergleichsgrundsatz erfüllt sein: Die Zahlungen müssen zu denselben Konditionen erfolgen, wie sie zwischen unabhängigen Unternehmen üblich sind.

Im vorliegenden Fall kam die EU-Kommission zu dem Ergebnis: Der luxemburgische Steuervorbescheid bestätigt eine unangemessene Methode zur Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns von Amazon in Luxemburg! Unangemessen deshalb, weil die Lizenzgebühr völlig überzogen und von der wirtschaftlichen Realität weit entfernt war. Die Holdinggesellschaft musste zum Beispiel 50 % weniger Lizenzgebühren an Amazon USA zahlen als an die Betriebsgesellschaft in Luxemburg.

Welche Folgen hat der Beschluss der EU-Kommission?

Die EU-Kommission stellte deshalb in ihrem Beschluss fest, dass die steuerliche Behandlung von Amazon durch Luxemburg unzulässig war. Die EU-Beihilfevorschriften sehen für diesen Fall vor, dass die entsprechenden staatlichen Beihilfen zurückgefordert werden müssen. Sprich, Luxemburg muss die ersparten Steuern zurückfordern, Amazon muss diese nachzahlen. Eine Bestrafung, zum Beispiel in Form einer Geldbuße, sehen die Vorschriften allerdings nicht vor.

Warum sich Luxemburg dem Beschluss nicht beugen will

Luxemburg ist mit dem Beschluss der EU-Kommission ganz und gar nicht einverstanden und wehrt sich gegen das Verlangen, die gegenüber Amazon gewährten Steuervergünstigungen in Höhe von 250 Millionen Euro zurückzuverlangen. Luxemburg will gegen die Entscheidung der Kommission sogar vor dem Gericht der Europäischen Union klagen. Denn nach Ansicht Luxemburgs ist es nicht zutreffend, dass das Land Amazon einen unzulässigen Steuervorteil gewährt hat.

Auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens darf man also gespannt sein.

Ausblick: Zahlen multinationale Konzerne jetzt immer brav alle Steuern?

Amazon befindet sich in guter Gesellschaft. Denn auch Apple, Facebook, Fiat Finance&Trade und Starbucks konnten in verschiedenen EU-Ländern lukrative Steuerdeals abschließen bzw. von niedrigen Unternehmenssteuern der entsprechenden Länder profitieren. Sie alle verdienen damit in Europa viel Geld, zahlen aber kaum Steuern.

Die EU-Kommission verfolgt deshalb seit einiger Zeit eine umfassende Strategie für mehr Steuergerechtigkeit und Transparenz. Ziel soll sein, dass die Unternehmen unabhängig von ihrer Größe dort Steuern entrichten, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. So gibt es bereits Regeln zum automatischen Austausch von Informationen über Steuervorbescheide. Ein weiterer Informationsaustausch bezüglich steuerlich relevanter Finanzinformationen von multinationalen Unternehmen soll folgen.

Die neueste Idee: Digitalkonzerne sollen mit einer Umsatzsteuer von 3 % belegt werden. Diese soll für Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro gelten und dort erhoben werden, wo die Nutzer sitzen.

Doch von der Idee bis zur Umsetzung ist es in der EU bekanntlich ein weiter Weg. Noch ist nichts in dieser Hinsicht entschieden oder gar auf den Weg gebracht. In der Zwischenzeit entgehen dem Fiskus weitere Steuern in Millionenhöhe.

Übrigens: Amazon änderte im Juni 2014 seine Geschäftsstruktur in Europa. Wann diese zum Gegenstand einer Beihilfenuntersuchung der Kommission werden wird, ist wohl nur eine Frage der Zeit – Zeit, in der Amazon wieder viel, sehr viel Geld verdienen wird.