Ab sofort weltweiter Amazon-Versand: Folgen für die Steuer

Sind Sie Onlinehändler bei Amazon und nehmen am FBA-Programm teil? Dann gibt es jetzt für Sie spannende Neuigkeiten: Seit Anfang Mai versendet Amazon Ihre Waren auch weltweit. Das kann aber erhebliche Auswirkungen auf die Umsatzsteuer haben. Welche das sind und wann es für Sie gilt, lesen Sie bei uns.

Überraschung: Für Onlinehändler gilt das automatisch

Wer am Fullfilment by Amazon-Programm teilnimmt, der weiß: Amazon übernimmt den Versand nach Europa, setzt dafür Lager in anderen EU-Ländern ein. Alles keine Neuheit. Lesen Sie mehr zum Thema in unserem Artikel „Einsatz von Amazon-Warenlagern: Was ist zu tun?“.

Was allerdings alles andere als offensichtlich ist und von Amazon nicht gerade besonders stark beworben wird: Nun geht der Versand durch Amazon auch weltweit. „Schön, dann überlege ich mir das mal“, könnten Sie sagen. Nur leider ist diese Option für Sie automatisch aktiviert, wie eine gut verstecke Informationsseite von Amazon zeigt „Jedes Verkäuferkonto wird automatisch für „Weltweit“ aktiviert, es sei denn, Sie deaktivieren dieses Programm.“

Bedeutet: Kauft ein Kunde in den USA heute bei Ihnen Waren ein, übernimmt Amazon den Versand. Und Sie werden plötzlich zum Exporteur. Steuerlich betrachtet kann das verheerende Folgen haben.

Ausfuhrlieferung in Deutschland

Auf den ersten Blick ist es alles gar nicht so schlimm: Nun liegt das Land, in das geliefert wird, in einem Drittland. In vielen Fällen wird das die USA oder auch die Schweiz sein. Und schließlich sind Ausfuhrlieferungen im Ursprungsland – in Deutschland – umsatzsteuerfrei. Das liegt daran, dass der Gesetzgeber verhindern wollte, dass sowohl die Lieferung in Deutschland als auch die Einfuhr im Bestimmungsland – also dem Land, in dem die Ware eingeführt wird – doppelt besteuert wird. So weit, so gut.

Es gibt für eine Steuerfreiheit allerdings einiges zu tun. Damit der Händler keine Umsatzsteuer zahlt, muss er nämlich einen Beleg- und Buchnachweis sammeln und vorlegen, mit dem er nachweisen kann, dass die Ware auch tatsächlich in das Drittland gelangt ist. Wie genau der Nachweis aussehen muss, hängt davon ab, ob man am elektronischen Ausfuhrverfahren des Zolls (ATLAS) teilnimmt. Zwingend muss man daran teilnehmen, wenn man Lieferungen ausführt, die über 1.000 Euro wert sind oder über 1.000 Kilo wiegen.

Diese Nachweise müssen Sie vorlegen:

1) Belegnachweis

a)  Mit ATLAS:

  • Endgültiger Ausgangsvermerk mit MRN-Nummer (Movement Reference Number)
  • Eine MRN-Nummer ermöglicht es, auf der Website der EU-Kommission die Lieferung nachzuverfolgen.

b)  Ohne ATLAS:

  • Vollständig ausgefüllter Frachtbrief
  • Oder vollständig ausgefüllter Einlieferungsschein inkl. des Ziellandes

c)  Wenn Sie diese Belege nicht vorlegen können:

  • Von Amazon ausgestellter Beleg mit folgenden Angaben:
  • Name und Anschrift des Versenders
  • Ausstellungsdatum
  • Name und Anschrift des Onlinehändlers
  • Ggf. Name und Anschrift des Auftraggebers der Versendung
  • Menge und Art des Gegenstands
  • Ort und Tag der Ausfuhr/Versendung
  • Empfänger und Bestimmungsort
  • Unterschrift des Versenders

2) Buchnachweis mit folgenden Angaben:

  • Menge des Gegenstands der Lieferung sowie Bezeichnung
  • Name und Anschrift des Abnehmers oder Auftraggebers
  • Tag der Lieferung
  • Entgelt
  • Tag der Ausfuhr
  • ggf. die MRN-Nummer

Übrigens: Sie müssen Ihre Belege für 10 Jahre aufbewahren. Kümmern Sie sich um die Belege – sonst wird das Finanzamt Ihnen die deutsche Umsatzsteuer berechnen und nachfordern. Es reicht allerdings aus, wenn Sie die Belege bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung vorlegen.

Doch das ist noch nicht alles: das passiert im Drittland

Steuerfreie Ausfuhrlieferung – das klingt erst einmal nur nach ein wenig Bürokratie. Doch wenn man die andere Seite betrachtet – die Einfuhr im Drittland – sieht man: Hier kann es plötzlich auch richtig teuer werden.

Grund: In jedem Drittland kann es andere umsatzsteuerliche Regeln geben. In bestimmten Ländern gelten zum Beispiel sogenannte Lieferschwellen. Das bedeutet: Sobald Sie mit den Umsätzen, die Sie mit Lieferungen in ein bestimmtes Land erzielen, über die jeweilige Lieferschwelle kommen, müssen Sie in dem jeweiligen Land Umsatzsteuer abführen. Diese müssten Ihnen aus dem EU-weiten Versandhandel bereits bekannt sein. Mehr zum Thema Lieferschwellen in der EU lesen Sie in unserem Artikel „Was ist eine „Lieferschwelle“?

Doch auch in Drittländern kann es Lieferschwellen oder ähnliche Konstrukte geben. Bestes Beispiel ist die Schweiz, in der gerade erst – zum 1.1.2019 – eine Art Lieferschwelle eingeführt wurde.

Beispiel: Sie sind deutscher Amazon-Händler und verkaufen antike Möbel. Am 15.5. kauft der Schweizer Bubi bei Ihnen einen Tisch für 100 Euro (dies entspricht etwa 113 Schweizer Franken) und die Schweizerin Mimi einen Stuhl für 40 Euro (etwa 45 Schweizer Franken). Da Sie die Funktion nicht rechtzeitig deaktiviert haben, übernimmt Amazon den weltweiten Versand und damit auch den Versand in die Schweiz. Nun müssen Sie prüfen: Ist die Schweizer Lieferschwelle überschritten?

Zum Hintergrund: Die grundsätzliche Umsatzsteuerregelung in der Schweiz besagt, dass eine Lieferung nur besteuert werden muss, wenn die Steuer 5 Schweizer Franken oder mehr beträgt. Bei einem Normalsteuersatz von 7,7% in der Schweiz liegt die Steuer bei einem Warenwert von 113 Franken darüber – und muss also besteuert werden. Diese Steuer muss der Kunde und damit Bubi tragen. Die Steuer auf den Stuhl, dessen Warenwert nur 45 Franken beträgt, muss dagegen nicht von Mimi besteuert werden. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Kleinlieferung.

Doch was bedeutet das für Sie als Onlinehändler? Seit dem 1.1.2019 werden nun auch ausländische Importeure in der Schweiz zur Kasse gebeten. Nunmehr gilt eine Lieferschwelle von 100.000 Schweizer Franken. In diese Bemessungsgrundlage fallen allerdings nur solche Lieferungen, für die nicht schon der Kunde die Steuer trägt (Kleinlieferungen).

Folge: Der Umsatz, der mit dem Verkauf des Stuhls an Mimi erzielt wurde, fließt in die Bemessungsgrundlage ein. Und sobald in einem Jahr mehr als 100.000 Franken Umsatz mit solchen Lieferungen erzielt werden, haben Sie als Onlinehändler die Steuer abzuführen. Natürlich müssen Sie auch reihenweise Registrierungen und Meldungen machen. Befragen Sie dazu am besten Ihren Steuerberater.

Fazit: Die ziemlich leise Umstellung auf den weltweiten Versand durch Amazon kann für Sie als Onlinehändler weitreichende Folgen haben. Prüfen Sie, ob Sie an diesem Programm teilnehmen möchten und deaktivieren Sie anderenfalls schnellstmöglich die entsprechende Funktion in Ihrem Konto. Am besten fragen Sie einen auf Onlinehändler spezialisierten Steuerberater, was für Sie die beste Entscheidung ist.