Wie wird meine Abfindung steuerlich behandelt?

Abfindung steuerlich behandeln Stellen Sie sich mal vor, Sie erhalten auf einen Schlag einen richtig großen Betrag ausgezahlt, zum Beispiel eine Gehaltsnachzahlung für mehrere Jahre oder eine Abfindung. Denken Sie da spontan an einen Finanzbeamten mit Euro-Zeichen in den Augen? Keine Angst, so schlimm wird es nicht. Denn der Gesetzgeber hat vorgesorgt und eine Steuererleichterung für solche Fälle geschaffen. Wir erklären Ihnen, wie diese funktioniert und wo die Stolperfallen lauern.

Manche Begriffe im Steuerrecht erschließen sich dem Laien erst durch ein Gespräch mit einem Experten oder das Studium von Fachliteratur. „Außerordentliche Einkünfte“ ist so ein Fall. Noch nie gehört? Aber Abfindungen kennen Sie bestimmt. Und vielleicht auch noch Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Na dann kennen Sie schon zwei Fälle solcher außerordentlichen Einkünfte. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs nehmen wir als Anlass, um diese Einkünfte und die Steuervergünstigung näher zu betrachten (Bundesfinanzhof, Urteil vom 2.8.2016, VIII R 37/14).

Was sind Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten?

Abfindungen werden bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt.

Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit sind Zahlungen für eine Tätigkeit, die sich über mindestens zwei Kalenderjahre erstreckt und einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten umfasst. Hierzu gehören zum Beispiel Nachzahlungen von Tantiemen, Renten, Versorgungsbezügen oder Prämien.

Die Gemeinsamkeit in allen Fällen: Auf einen Schlag fließt ein hoher Betrag zu – was natürlich steuerlich äußerst ungünstig ist. Aber zum Glück gibt es ja wie schon erwähnt eine Steuervergünstigung.

Wie funktioniert die Steuervergünstigung?

Um die Steuerlast der hohen Zahlung etwas zu mildern, sind Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten steuerlich begünstigt, und zwar durch die sog. Fünftelregelung. Im Ergebnis zahlen Sie dadurch weniger Steuern.

So wird bei der Fünftelregelung gerechnet:

  1. Zunächst werden die außerordentlichen Einkünfte aus dem zu versteuernden Einkommen herausgerechnet und von diesem „verbleibenden zu versteuernden Einkommen“ die Einkommensteuer berechnet.
  2. Die außerordentlichen Einkünfte werden anschließend durch fünf geteilt. Ein Fünftel wird dann zu dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen wieder hinzugerechnet und davon ebenfalls die Einkommensteuer berechnet.
  3. Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen den beiden Einkommensteuerbeträgen.

Beispiel:

Frau Sacher erhält im Jahr 2016 eine Abfindung von 30.000 Euro. Ihr zu versteuerndes Einkommen beträgt insgesamt 75.000 Euro. So wird die Einkommensteuer unter Anwendung der Fünftelregelung berechnet:

Zu versteuerndes Einkommen insgesamt 75.000 Euro
abzgl. Abfindung – 30.000 Euro
= verbleibendes zu versteuerndes Einkommen 45.000 Euro
Einkommensteuer auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen nach Grundtarif 10.675 Euro
Ein Fünftel der Abfindung 6.000 Euro
+ verbleibendes zu versteuerndes Einkommen + 45.000 Euro
= Zwischensumme 51.000 Euro
Einkommensteuer auf diese Zwischensumme nach Grundtarif 13.041 Euro
Unterschiedsbetrag der Einkommensteuerbeträge: 13.041 Euro – 10.675 Euro = 2.366 Euro
Einkommensteuer auf die Abfindung: 2.366 Euro x 5 = 11.830 Euro
+ Einkommensteuer auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen + 10.675 Euro
Einkommensteuer insgesamt 22.505 Euro

Zum Vergleich: Auf ein zu versteuerndes Einkommen von 75.000 Euro hätte Frau Sacher eine Einkommensteuer von 23.105 Euro bezahlt. Durch die Fünftelregelung spart sie 600 Euro.

Wann kann das Finanzamt die Anwendung der Fünftelregelung verweigern?

Damit Sie in den Genuss der Fünftelregelung kommen, muss die Abfindung oder die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in einem Kalenderjahr ausgezahlt werden. Eine Auszahlung in Teilbeträgen verteilt auf mehrere Kalenderjahre ist also schädlich. In diesem Fall wird das Finanzamt die Anwendung der Fünftelregelung verweigern.

Es gibt nur zwei Ausnahmen:

  1. Die Teilleistungen stehen wie Haupt- und Nebenleistung zueinander und die Nebenleistung beträgt maximal 10 % der Hauptleistung.

Beispiel: Herr Stiller erhält eine Abfindung von insgesamt 20.000 Euro. Im Dezember werden ihm 19.000 Euro ausbezahlt, im Januar die restlichen 1.000 Euro. Bei der Teilzahlung von 1.000 Euro handelt es sich lediglich um rund 5,3 % der Hauptleistung von 19.000 Euro. Deshalb darf auf die Hauptleistung die Fünftelregelung angewendet werden.

  1. Eine Teilleistung ist niedriger als der durch die Fünftelregelung erzielte Steuervorteil der Hauptleistung.

Beispiel: Das Arbeitsverhältnis von Frau Meyer endet nach 39 Jahren durch Aufhebungsvertrag. Sie erhält im Oktober eine betriebliche Abfindung in Höhe von 104.800 Euro und im Januar des nächsten Jahres eine Tarifabfindung in Höhe von 15.200 Euro.

Die Abfindungszahlung im Januar beläuft sich auf 14,5 % der Hauptleistung. Die 10 %-Regelung kann deshalb nicht angewendet werden. Deshalb rechnet Frau Meyer aus, ob die Teilleistung von 15.200 Euro niedriger ist als die durch die Fünftelregelung erzielte Steuerermäßigung der Hauptleistung.

Zu versteuerndes Einkommen insgesamt 139.800 Euro
abzgl. Abfindung – 104.800 Euro
= verbleibendes zu versteuerndes Einkommen 35.000 Euro
Einkommensteuer auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen nach Grundtarif 7.091 Euro
Ein Fünftel der Abfindung 20.960 Euro
+ verbleibendes zu versteuerndes Einkommen + 35.000 Euro
= Zwischensumme 55.960 Euro
Einkommensteuer auf diese Zwischensumme nach Grundtarif 15.109 Euro
Unterschiedsbetrag der Einkommensteuerbeträge: 15.109 Euro – 7.091 Euro = 8.018 Euro
Einkommensteuer auf die Abfindung: 8.018 Euro x 5 = 40.090 Euro
+ Einkommensteuer auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen + 7.091 Euro
Einkommensteuer insgesamt 47.181 Euro

Auf ein zu versteuerndes Einkommen von 139.800  Euro hätte Frau Sacher eine Einkommensteuer von 50.321 Euro bezahlt. Durch die Anwendung der Fünftelregelung auf die Hauptleistung spart Frau Meyer nur 3.104 Euro – was deutlich niedriger ist als die Teilleistung von 15.200 Euro. Die Fünftelregelung kann hier also nicht angewendet werden.

Was lernen wir aus dem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs?

In dem eingangs bereits erwähnten Fall ging es um die Nachzahlung von Honoraren für mehrere Jahre. Zwar erkannte der Bundesfinanzhof diese als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit an. Die Zahlung erfolgte jedoch in mehreren, gleich hohen Teilbeträgen und in mehreren Kalenderjahren. Der Ausnahmefall einer Hauptleistung und einer nur geringfügigen Nebenleistung lag damit nicht vor. Die Fünftelregelung konnte deshalb nicht angewendet werden (Bundesfinanzhof, Urteil vom 2.8.2016, VIII R 37/14).

Achten Sie deshalb unbedingt darauf, dass Sie Ihre Abfindung oder Vergütung für mehrjährige Tätigkeit in einem Kalenderjahr erhalten. So sparen Sie sich nicht nur Diskussionen mit dem Finanzamt, sondern eine ganze Menge Steuern.

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